Nur ein Gefühl?


Wieder hat ein neues Schuljahr begonnen.
Mein Blick folgt den neuen Schülern, die hinter Minerva die grosse Halle betreten.
Ein hämisches Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.


Oh, wie ich mich freue, wenn die Erstklässler das erste Mal die Kerker betreten.
Wenn sie ängstlich meiner alljährlichen Begrüssungsrede lauschen.
Ein Haufen Dummköpfe.


Ja, so wird es sein und so war es immer.
Nein, nicht ganz...
Eine bestimmte Szene kommt mir in den Sinn.

"Potter, was bekomme ich, wenn ich einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzel hinzufüge?"
Deine Hand war in die Höhe geschossen, kaum hatte ich die Frage gestellt.


Einen Moment war ich verblüfft.
Bisher hatte es noch kein Erstklässler fertig gebracht, diese Frage zu beantworten.


Doch ich habe dich ignoriert, ich wollte es von Potter erfahren.
Er wusste es nicht.


"Wo würden Sie einen Bezoar suchen, wenn Sie mir einen beschaffen müssten?"
Wieder war deine Hand in meinem Gesichtsfeld, doch ich übersah es gekonnt.


Diese Frage war einfach.
Doch er wusste es wieder nicht.
Nun gut...


"Was ist der Unterschied zwischen Eisenhut und Wolfswurz?"
Dieses Mal bist du aufgestanden, deine Hand war immer noch nach oben gestreckt.
Und wieder habe ich es ignoriert.


Diese Frage war doch so einfach.
Aber er wusste es trotzdem nicht.
Ich sah es an seinem ratlosen Blick.


"Ich weiss es nicht, aber Hermine weiss es!", gab er mir dann frech zur Antwort.
Das hatte ich gesehen.
Aber mein Stolz liess es nicht zu, dass ich ihm diesen Gefallen tat.


Deshalb habe ich dich angefahren.
Dir gesagt, dass du dich hinsetzen sollst.
Du hast es getan, doch nicht, ohne mich mit deinem Blick zu strafen.


Mein Blick fällt auf den Gryffindortisch, musterte die neuen Schüler.

Vor 12 Jahren hast du dieses Schloss das erste Mal betreten.
Vor 12 Jahren sind wir uns im Unterricht das erste Mal begegnet.
Ich war von deinem Verstand beeindruckt und du hast mich all die Jahre nicht enttäuscht.


Gut, ich gebe es zu.
Viele Male hat mich deine Fragerei an den Rand des Wahnsinns getrieben, aber es war deine Art zu verstehen.
Ich habe es akzeptiert, gewöhnte mich daran.


Doch im sechsten Schuljahr war es plötzlich vorbei.
Nur noch selten hast du die Hand erhoben.
Anfangs fragte ich mich, ob alles in Ordnung war.
Irgendwann habe ich es dann verstanden.


Du bist erwachsen geworden.
Die Fragerei war nur eine Angewohnheit aus deiner Kindheit.
Du hast es zu schätzen gelernt, still vor dich hin zu arbeiten.

Deine Konzentration habe ich mit einem inneren Lächeln betrachtet.


Im letzten Schuljahr haben wir sogar eine Art der Kommunikation gefunden.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie alles angefangen hat.

Ich bin während des Unterrichts bei meinem Rundgang zu dir gekommen.
Wie bei allen anderen auch, prüfte ich deine bisherige Arbeit.
Ich wusste, dass es unnötig war, aber ich habe es gerne getan.
Es gab mir so ein sonderbares Gefühl.
War es Stolz?


Ich beugte mich über deinen Kessel, als ich spürte, dass du meinen Blick suchtest.
Kurz hast du dich im Kerker umgesehen, dann hast du mir ein Blatt Pergament rüber geschoben.
Fragend hob ich eine Augenbraue, doch du hast mich nur bittend angesehen.


Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte, deshalb entschied ich mich, den Zettel zu lesen.


Ein unmerkliches Lächeln umspielte meine Lippen.
Keiner ausser dir hat die eingebaute Falle bemerkt.
Dass die letzte Zutat unnötig ist und die Eigenschaft besitzt, den Trank unwirksam zu machen.
Ein Fehler, den in dieser Stufe alle bemerken sollten.
Doch nur du hast es getan.


Ich nickte dir zu und sah, wie ein kleines Lächeln über dein Gesicht huschte.
Mit einem letzten Blick auf dich, wendete ich mich wieder den anderen zu.
Keiner schien etwas bemerkt zu haben.

Ab diesem Tag kam es immer wieder vor, dass du mir unbemerkt einen Zettel rüber geschoben hast.


Meistens musste ich nur zustimmend nicken, doch manchmal deutete ich unbemerkt auf einen Absatz im Buch, in dem du die Antwort erhalten würdest.
Ich habe es dir nie gesagt, aber ich habe diese Art der Kommunikation immer genossen.
Ich habe deinen wachen Geist bewundert.

Immer öfter ruhten deine Augen während der Stunde auf mir.
Ruhig und nachdenklich.


Wenn sich unsere Blicke begegneten, huschte ein Lächeln über dein Gesicht.
Ich durfte es nicht erwidern und du wusstest das auch.
Trotzdem hast du es immer wieder getan.


Nur manchmal, wenn ich sicher war, dass mich niemand beobachtete, liess ich etwas der Kälte und Unnahbarkeit aus meinem Gesicht verschwinden.
Als Antwort blieb dein Lächeln länger erhalten.


Mein Blick wandert zum Tisch der Slytherins.

Die Zahl der Schüler dieses Hauses steigt wieder.
Vor fünf Jahren war es fast leer.
Das kurz nach dem Krieg.


Es war eine schlimme Zeit.
Eine Zeit voller unnötiger Opfer.
Ich konnte es selbst nicht glauben, aber der grösste Teil meines Hauses wandte sich der guten Seite zu.


Allen voran Draco Malfoy, einer der wenigen, der diesen Wechsel überlebt hat.
Der Rest wurde ermordet.
Ermordet vom dunkelsten Zauberer dieser Zeit, ausgeliefert von den eigenen Eltern.
Doch wie gesagt, diese Zeiten sind vorbei.
Voldemort ist tot und mit ihm die Feindschaften.


Ich wende mich vom Haustisch ab und starre gedankenverloren in mein Glas.

Nach dem Sieg haben sie sich alle umarmt.
Das schönste Beispiel waren dein Freund Harry Potter und Draco Malfoy.
Jahrelang haben sie sich angefeindet, aber am Ende lagen sie sich einfach in den Armen.

Glücklich, dass es endlich vorbei war und froh, dass es ihnen gut ging.


Ich bin etwas abseits gestanden und habe das ganze Schauspiel beobachtet.
Habe die Tränen des Glücks gesehen und das Überschreiten der Grenze jahrelanger Feindschaften.
Und plötzlich bist du vor mir gestanden.


Du hattest Tränen in den Augen, doch du hast gelächelt.
Und dieses Mal habe ich es erwidert.


Wortlos hast du mich in eine Umarmung gezogen.
Ich spürte deine Tränen der Erleichterung meinen Umhang benetzen.
Beruhigend legte ich meine Arme um dich, strich zaghaft mit meiner Hand über dein Haar.


Ich habe diesen Moment genossen.

Ich spüre den fragenden Blick von Albus auf mir liegen.
Langsam stelle ich mein Glas wieder auf den Tisch und beginne mechanisch zu essen.

Ich habe dich schätzen gelernt, in all den Jahren.
Aber am meisten in den letzten Wochen deines siebten Schuljahres.
Unser Trank war es, der den entscheidenden Teil zum Sieg beitrug.
Auf Albus Wunsch hin haben wir uns an die Entwicklung gemacht.
Hand in Hand haben wir zusammengearbeitet.


Am Anfang war ich wütend auf den Schulleiter, aber je länger es dauerte, desto mehr genoss ich es.
Ich genoss die Stille, in der wir arbeiten konnten.
Es war eine angenehme Stille.
Einige Male warst du es, die die zündende Idee hatte.
Das Glitzern in deinen Augen, wenn du dich mit Eifer auf die Ausführung gestürzt hast, liess mich oft heimlich lächeln.
Ich liebte die Gespräche zwischen uns.
Höchst selten hatte ich einen solchen Gesprächspartner.
Jemanden mit demselben Interesse, dem Drang nach Wissen und der Hingabe zu dieser Arbeit.
Aber genauso liebte ich unsere Auseinandersetzungen.
Ich liebte das Feuer in deinen Augen, wenn du deine Meinung standhaft vertreten hast.
Und ich liebte dein heiteres Auflachen, wenn du gemerkt hast, dass ich dich nur aufgezogen habe.


Es kam oft vor, dass ich vergass, dass du eigentlich meine Schülerin warst.
Ich sah dich als ebenbürtige Gesprächspartnerin.
Verschloss ich mich vor dir, wenn ich mir der Realität wieder bewusst wurde, hast du es verstanden und gekonnt das Thema gewechselt.


Ich halte inne, fixierte die Türen der Halle.
Höre wie der Sturm den Regen an die Scheiben peitscht und der Wind durch die Löcher des Schlosses pfeift.

Hier geschah es...
Es war der Abschlussball deiner Jahrgangsstufe.
Ich erinnere mich noch so gut daran.

Den ganzen Abend habe ich mich im Hintergrund gehalten.
Habe eure ausgelassene Feier beobachtet.
Es war ein besonderes Fest.
Nicht nur eure Verabschiedung wurde gefeiert, sondern auch das Ende des Krieges.


Langsam füllte sich die Tanzfläche.
Albus hat versucht, mich ebenfalls zum Tanzen zu animieren, doch ich habe mich geweigert.
Mit einem Lächeln hat er sich von mir abgewandt.
Doch ich spürte immer wieder, wie seine Augen mich beobachteten.
Aber ich erwiderte die Blicke nicht.


Konzentriert starrte ich auf das Weinglas in meiner Hand.
Plötzlich stand jemand vor mir.
Albus liess wohl nicht locker...


Ich warf ihm einen giftigen Blick zu, doch dann hob ich überrascht eine Augenbraue.
Es war nicht Albus.


Mit einem Lächeln bist du vor mir gestanden, hattest den Kopf belustigt schief gelegt.


"Professor, erweisen Sie mir die Ehre eines letzten Tanzes?"
Einladend hast du mir deine Hand entgegen gestreckt.


In meinem Innern tobte ein Kampf.
Einerseits wollte ich, andererseits verweigerte es mir mein Verstand.
Doch dieser unterlag und ich ergriff zögernd deine Hand.


Dein Lächeln wurde noch etwas breiter und du hast dich von mir auf die Tanzfläche führen lassen.
Ausgerechnet jetzt spielte die Band ein langsames Lied.


Ich zog dich an mich heran, konnte fühlen, wie dein Körper den meinen berührte.
Ich merkte nicht, dass die anderen innehielten und uns beobachteten.


Wir sprachen kein Wort.


Wieder wanderte ein Lächeln über deine Lippen und du hast mich mit deinen warmen brauen Augen einfach angesehen.
Und in dem Moment, in dem sich unsere Blicke trafen, wurde es mir bewusst.


Ich hatte mich in dich verliebt.


Du hast den schwierigen Weg in mein Herz gefunden.
Etwas, das lange Zeit niemand mehr geschafft hat.


Weißt du, was du angerichtete hast?
Wolltest du das überhaupt?
Ich kann es mir nicht vorstellen!

Das Lied war zu Ende.


Ich verbeugte mich dankend vor dir.
Mein ganzer Körper war verkrampft.
Und auf einmal wurde ich mir der Blicke der anderen bewusst.
Sie hatten uns beobachtet!


Rasch setzte ich meine Maske wieder auf.
Es durfte einfach nicht sein!
Ich nickte dir zu, wagte einen kurzen Blick in deine Augen.
Ich sah für einen kurzen Moment die Traurigkeit darin, doch dann wechselten sie zu Verständnis.
Und wieder hast du mich verstanden, so wie du es immer getan hast.
Ich hätte dich nicht verdient!


Ich spürte die Blicke auf mir ruhen, als ich eiligen Schrittes die grosse Halle verliess.
An diesem Abend sind einige Gegenstände in meinem Büro zu Bruch gegangen.


Mir fällt auf, dass Albus immer wieder auf die Uhr schaut.
Was ist nur los mit ihm?
Doch wieder überrollt mich eine Erinnerung...

Es war der Tag der Abreise.
Der Tag, an dem das alte Leben aufhört und das Neue beginnt.
In nicht weniger als 10 Minuten werden du und deine Kameraden das Schloss verlassen haben.


Eigentlich sollte ich mit den anderen Lehrern in der Einganghalle stehen, sollte mit ihnen Abschied nehmen.
Aber ich bin hier unten, in meinem Klassenzimmer.
Niemand wird mich vermissen.
Mich, den verhassten Lehrer.


Plötzlich klopft es an meiner Tür.
Mürrisch bitte ich herein.

Dein Kopf erscheint im Türrahmen.


"Was wollen Sie hier? Sollten Sie nicht in der Eingangshalle sein?"


"Ich wollte mich verabschieden.", hast du ruhig geantwortete, den Raum betreten und die Tür hinter dir geschlossen.
Dein Blick war auf mich gerichtete, doch ich rührte mich nicht.
Einmal mehr huschte ein Lächeln über dein Gesicht, dann bist du plötzlich vor mir gestanden.
Ehe ich mich versah, fand ich mich in deinen Armen wieder.


Einem Reflex folgend schlang ich meine Arme um dich, hielt dich einfach fest.
Ich sah die unterdrückten Tränen, als du einen Schritt zurückgetreten bist.


"Leben Sie wohl, Miss Granger!", krächzte ich, nicht Herr meiner Stimme.
"Auf Wiedersehen, Professor!"
Dann bist du aus meinem Blickfeld verschwunden.


Ich schüttle gedankenverloren den Kopf, was mir einen fragenden Blick von Minerva einbringt.
Albus hat die Schüler inzwischen in ihre Schlafsaale entlassen.
Doch noch immer schaut er beunruhigt auf seine Taschenuhr und wirft der Verwandlungslehrerin ab und zu besorgte Blicke zu.
Diese will gerade etwas sagen, als sich die Flügeltüren der Halle plötzlich öffnen und eine völlig zerzauste und durchnässte Frau den Saal betritt.
Ich sehe, wie sich Albus beruhigt in seinen Stuhl sinken lässt.
Auf sie hat er also gewartet.


Die Unbekannte hatte inzwischen die Halle durchquert und stand nun vor dem Lehrertisch.
"Sturm...", keuchte sie atemlos, dann hebt sie ihren Kopf.

Braune Augen fixieren mich.


"Miss Granger?", entkommt es mir überrascht.
"Hermine.", korrigiert sie mich lächelnd.
Verdammt, wie hatte mir dieses Lächeln gefehlt!


"Darf ich vorstellen?", meldet sich nun Albus schmunzelnd zu Wort.
"Miss Hermine Granger, unsere neue Lehrerin in Muggelkunde."
"Nennen Sie mich doch bitte Hermine. Miss Granger erinnert mich immer so an meine Schulzeit und die ist ja schon längere Zeit vorbei.", ergänzt sie lachend.

Wieder sitze ich auf meinem Platz und beobachtete das Geschehen.
Stühle werden gerückt, um die neue Lehrerin zu begrüssen.
Minerva drückt dich sogar an sich.

"Schön, Sie wieder hier zu haben!", murmelt sie ergriffen vor sich hin.


Dann kommst du auf mich zu, streckst mir die Hand entgegen.
Ich greife nach ihr und erhebe mich.
Du strahlst mich an, deine Augen voller Wärme und ich kann nicht anders als zu lächeln.


"Schön, Sie wieder hier auf Hogwarts zu haben, Hermine!", begrüsse ich dich förmlich.
Meine Augen wenden sich nicht von deinen ab.
"Ich habe Ihnen doch gesagt, dass wir uns wieder sehen werden!", antwortest du leise flüsternd und für einen kurzen Moment tritt ein Gefühl in deine Augen, dass mich schaudern lässt.


Du hast mich also nicht vergessen!


Wie zur Bestätigung meiner Gedanken finde ich mich in einer Umarmung wieder.
"Ich habe unsere Streitereien vermisst!", flüsterst du so leise, dass nur ich es verstehen kann.


Ich drückte dich an mich, die ungläubigen Blicke der anderen Lehrer ignorierend.

Nie hätte ich mir träumen lassen, dich noch einmal in meinen Armen halten zu können.


"Ich habe auf dich gewartet, Hermine. Die ganzen Jahre... Und es hat sich nur schon für diesen Moment gelohnt.", flüstere ich in dein Haar.
"Ich weiss...", antwortest du und siehst mich unendlich traurig an, "Es tut mir leid!"
Du senkst den Kopf, doch meine Finger zwingen dich, mich anzusehen.


"Je mehr Jahre ins Land gingen, desto sicherer wurde ich mir mit meinen Gefühlen. Aber ich hatte einfach nicht den Mut..."
"Aber jetzt bist du ja hier!", unterbreche ich dich und streiche mit meinem Daumen über deine Wange.
Wieder bettest du deinen Kopf an meine Brust, wieder benetzen deine Tränen meinen Umhang und wieder fährt meine Hand beruhigend über dein Haar.

Die anderen Lehrer verfolgen dieses Schauspiel mit Erstaunen.
Nicht wenige wenden sich zu Albus, blicken ihn fragend an.
Doch dieser lächelt nur.


Sein Gefühl hatte ihn also all die Jahre hinweg nicht getäuscht...


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Ich möchte aber an dieser Stelle ganz klar festhalten, dass ich mit dieser Geschichte kein Geld verdiene!

Alle hier verwendeten Figuren sind Eigentum von J.K.Rowling.

Ich habe mir nur die Freiheit genommen, mit meinen eigenen Ideen etwas anderes zu gestalten. :) 



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